Implementierung eines integrativen und spezialisierter behandlungsbereichsübergreifenden Versorgungsmodells in der Alterspsychiatrie – Vorstellung eines Forschungsvorhabens

Volker Dahling1, Susann May, Sebastian von Peter, Yuriy Ignatyev, Julian Schwarz, Martin Heinze

1Hochschulklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Medizinischen Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Immanuel Klinik Rüdersdorf

In der psychiatrischen Versorgung älterer Menschen durch das Krankenhaus werden im deutschsprachigen Raum im Wesentlichen zwei Modelle diskutiert.
Hauptmerkmal sog. integrativer Modelle ist das Fehlen von gerontopsychiatrisch spezialisierten Stationen bzw. die stationäre Behandlung alterspsychiatrischer Patienten auf gemischten oder allgemeinpsychiatrischen Stationen. Gegenüber segregativen Versorgungsmodellen haben integrative Lösungen den Vorteil, ein realistischeres Abbild der Gesellschaft zu liefern. Ältere werden nicht ausgegrenzt und das Selbsthilfepotential zwischen alt und jung kann voll genutzt werden (Kipp & Jüngling 2007). Allerdings erfordert ein solches Modell eine auf die Belange Älterer abgestimmte Versorgung und eine hohe geriatrische und allgemeinmedizinische Kompetenz bei Schwestern und Ärzten (DGGPP 2007). Letzteres ist auch ein Hauptkritikpunkt der integrativen Versorgung bzw. werden eine für ältere Menschen spezifische Handlungs- und Vorgehensweise sowie eine altersspezifische Fachkompetenz eher als Argument für eine spezialisierte segregative Behandlung gesehen (Tenter 2015). Weitere kontrovers diskutierte Argumente im Zusammenhang mit integrativen Modellen sind eine reduziertes Vorkommen von Gewalt und Zwang (z.B. Verschluss von Stationen, Bettgitter) (Nyhuis 2015) und ein geringere Gefahr einseitiger Belastungen in der Pflege (DGGPP 2007, Kipp & Jüngling 2007).
Konsens der Positionen besteht national wie international bezüglich der Notwendigkeit spezifischen gerontopsychiatrischen Wissens (Sampson et al. 2014, Wolter & Gutzmann 2015, Vierter Altenbericht 2002).
Bisher gibt es keine starke Evidenz für das eine oder andere Versorgungsmodell. So konstatieren Wolter und Gutzmann in den Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und –psychotherapie 2015, „dass weder Demenzstationen noch eine integrierte Behandlung auf gemischten Stationen automatisch die Gewähr dafür bieten, dass sie (die Behandlung) gelingt.“

Die Hochschulklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Immanuel Klinik Rüdersdorf plant für voraussichtlich Juli 2019 einen Konzeptwechsel weg von einer bereichs- bzw. stationsbezogen hin zu einer bereichsübergreifenden spezialisierten Behandlung. Dies bietet die seltene Gelegenheit unterschiedliche psychiatrische Versorgungskonzepte in einem relativ stabilen Umfeld hinsichtlich Anwendbarkeit und Effekten zu überprüfen.

In der alterspsychiatrischen Versorgung wird durch den Konzeptwechsel ein dritter Weg beschritten,

> der Vorteile integrativer und segregativer (Spezialisierung) Versorgungsmodelle vereint bzw. Nachteile der oben beschriebenen etablierten Konzepte ausgleicht,
> durch eine bereichsübergreifende Versorgung durch ein Behandlerteam den Vorteil einer geringerer Schnittstellenproblematik bietet (Pöschel & Spannhorst 2018, Zapp & Oswald 2010) und sich damit
> eng an Nutzerinteressen (Klaes et al. 2004), insbesondere den Erwartungen an Behandlungskontinuität (Ignatyev 2017), orientiert.

Dies sollte zu einer höheren Versorgungsqualität führen.

Hauptanliegen dieses Forschungsprojektes ist die Evaluation von Effekten der Einführung dieses integrativen und spezialisierten behandlungsbereichsübergreifenden Behandlungskonzeptes auf die Versorgung von älteren Menschen mit psychischen Erkrankungen anhand von Qualitätsindikatoren und unter explizitem Einbezug der Nutzerperspektive.
Erwartet wird eine Verbesserung der Versorgung mit u.a. einer geringeren fallbezogenen kumulativen stationären Verweildauer, einer nach anerkannten Empfehlungen verbesserten Diagnostik und Behandlung, einer stärkeren Berücksichtigung von Nutzerinteressen, einem intensiveren Austausch aller an Versorgung Beteiligter (z.B. Angehörige und ambulante Versorger) und eine größere Zufriedenheit bei Nutzern. Darüber hinaus soll in Auswertung der Ergebnisse ein Set von Qualitätsindikatoren zusammengestellt werden, anhand dessen zukünftig Aussagen über die Versorgungsqualität alterspsychiatrischer Behandlung durch das Krankenhaus gemacht werden können und das zum Zweck der Qualitätssicherung in den Alltagsbetrieb der Immanuel Klinik Rüdersdorf überführt werden soll. Gleichzeitig sollen die Erkenntnisse der Weiterentwicklung Setting-bezogener Qualitätsindikatorsets, z.B. zur Beantwortung der Frage nach Leitlinien-Adhärenz dienen.

Vorgestellt wird die Einführung und geplante Evaluation eines neuen integrativen und spezialisierten behandlungsbereichsübergreifenden Behandlungskonzeptes (Intervention) in einer psychiatrischen Abteilung im Kontext ihrer Voraussetzungen.

Literatur über v.dahling@immanuel.de

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