Psychopharmakologische Medikation in brandenburgischen Pflegeheimen–eine explorative Studie

Susann May1, Timo Greiner2, Samuel Thoma2, Sebastian von Peter2, Ulrich Schwantes1, Michael A. Rapp3, Martin Heinze2, Volker Dahling2

1Medizinische Hochschule Theodor Fontane, Neuruppin
2Hochschulklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Medizinischen Hochschule Brandenburg, Immanuel Klinik Rüdersdorf
3Universität Potsdam, Department Sport- undGesundheitswissenschaften, Potsdam

Zielsetzung/Fragestellung:
Psychopharmaka werden in Pflegeheimen oft verordnet und stellen zusammen mit allgemeiner Polypharmazie ein Risiko für unerwünschte Wirkungen und Arzneimittelwechselwirkungen dar. Die Verschreibungspraxis der Psychopharmaka ist oft unspezifisch, wobei die Unkenntnis der Wechselwirkungen bei Pflegenden und Patienten sowie ein geringer Personalschlüssel der Pflegenden als ursächlich angesehen werden. Die Situation im Land Brandenburg ist von Interesse, weil der Anteil pflegebedürftiger Menschen höher ist als in Gesamtdeutschland. In dieser Pilotstudie sollte festgestellt werden, wie hoch die Psychopharmakaverordnungsrate in brandenburgischen Pflegeheimen ist und welche Medikamente eingesetzt werden. Darüber hinaus sollte untersucht werden, wie der Verschreibungsprozess abläuft und welche Determinanten die Verordnung von Psychopharmaka beeinflussen.

Materialien/Methoden:
Dazu wurden Diagnosen und Medikationen von 398 Heimbewohner_innen aus vier Heimen in Brandenburg erhoben und ausgewertet. Anschließend wurden Leitfadeninterviews und Fokusgruppen mit Pflegenden, verordnenden Ärzt_innen sowie Angehörigen von Bewohner_innen durchgeführt. Die Ergebnisse wurden in einer Nacherhebung validiert.

Ergebnisse:
Etwa 70% der Bewohner_innen wurden dauerhaft Psychopharmaka, zumeist Antidepressiva und Antipsychotika, verordnet. Davon hatten etwa zwei Drittel der Medikamente sedierende Eigenschaften (e.g. Melperon).
Der Anstieg dementiell Erkrankter, zunehmender Personal- und Zeitmangel, eine geringe fachärztliche Präsenz im Versorgungsalltag sowie die Größe der Pflegeinstitution haben Einfluss auf die Psychopharmakaverordnungsrate. Zudem nehmen Pflegende Einfluss auf die Verordnung von Psychopharmaka.

Zusammenfassung/Schlussfolgerung:
Die Ergebnisse dieser Studie zeigen eine hohe Verordnungsrate von Psychopharmaka in brandenburgischen Pflegeheimen. Eine Optimierung der psychopharmakologischen Versorgung in Pflegeheimen durch spezifische Interventionen ist demzufolge notwendig. Pflegende und Hausärzt_innen müssen für den Umgang mit Psychopharmaka in Pflegeheimen sensibilisiert werden, um ein Bewusstsein für Interaktionsrisiken zu schaffen und gleichzeitig die Reduktion von Psychopharmaka anzustreben. Konkrete Umsetzungen könnten Schulungen oder Intervisionsgruppen für Pflegende sein. Denkbar wären auch telemedizinische Konsultationen für Hausärzte.

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