Collaborative Care Modelle zur Behandlung der Altersdepression
Michael Hüll
Klinik für Alterspsychiatrie und Psychotherapie, Zentrum für Psychiatrie, Emmendingen
Ältere Menschen mit einer Depression nehmen verstärkt Gesundheitsleistungen
in Anspruch (Hausärzte, Orthopäden, Internisten), erhalten aber seltener
als Jüngere depressionsspezifische psychosoziale bzw. psychotherapeutische
Interventionen. Kooperative Versorgungsmodelle (collaborative care models)
sind ein Ansatz, die Versorgung von Menschen mit Altersdepression zu verbessern.
In diesen Modellen werden zentrale Berufsgruppen (Hausärzte, Fachärzte
für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychotherapeuten, Pflegekräfte)
koordiniert an der Versorgung beteiligt. Hinzu kommt als zentrales Element
ein Care Manager (CM) mit den Aufgaben Koordination, Dokumentation der Entwicklung
der Symptomatik und Herbeiführung von Entscheidungen für eine schrittweise
Therapieausweitung (Stepped-Care, Clinical Pathway).
Ein hervorragend erprobtes Model einer kooperativen Versorgung der Altersdepression
ist das amerikanische IMPACT Programm (Improving Mood – Promoting Access
to Collaborative Treatment, IMPACT, http://aims.uw.edu/resource-library). Das
IMPACT-Model wurde im Rahmen einer BMBF geförderten Studie auf das deutsche
Versorgungssystem angepasst. Dabei wurde die CM-Rolle von Gesundheits- und
Krankenpflegerinnen mit mehrjähriger Berufserfahrung übernommen.
Der Begriff „Care Manager“ wurde mit der Bezeichnung „Therapiebegleiter“ ins
Deutsche übertragen. Die Supervision der Therapiebegleiter wurde von Fachärzten
für Psychiatrie und Psychotherapie oder Psychologischen Psychotherapeuten übernommen.
Die Erweiterung der hausärztlichen Versorgung durch einen Care Manager
und einen Psychiater sowie die Ausrichtung der Behandlung an einem gestuften
Vorgehen haben sich in GermanIMPACT, einer Studie mit 71 Hausärzten und
248 Patienten bewährt (Hölzel et al., Koordinierte Behandlung der
Altersdepression in der Primärversorgung: Eine cluster-randomisiert kontrollierte
Studie (GermanIMPACT), Dtsch Arztebl Int 2018; 115(44): 741-7).
Die Umsetzung im deutschen Gesundheitssystem ist aufgrund der vorherrschenden
Struktur aus Einzelpraxen erschwert. Die Rolle des Therapiebegleiters ist bezüglich
seiner Grundausbildung, Kompetenzen und Refinanzierung zurzeit noch außerhalb
von Studien schwer zu verorten. Hier könnten zukünftig größere
Praxisgemeinschaften oder Krankenhausambulanzen eine Rolle spielen. Aufgrund
der ausgeprägten Zersplitterung des deutschen Gesundheitssystems in Einzelakteure
und Sektoren, die häufig bei der Patientenbehandlung zu wenig kooperativ
und koordiniert vorgehen, liegt in einem solchen Ansatz ein besonders hohes
Verbesserungspotential.