Delir und Dysphagie: Zusammenhänge erkennen- Zusammenarbeit erleichtern!

Rene Borgmann1, Maike Kleine-Katthöfer2, Christine Thomas1

1Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie für Ältere, Klinikum Stuttgart Zentrum für Seelische Gesundheit, Stuttgart
2Klinikum Stuttgart Zentrum für Seelische Gesundheit, Stuttgart

Zielsetzung/Fragestellung:
Das Störungsbild der Dysphagie ist im geriatrischen Kontext bekannt, jedoch oftmals unterdiagnosti-ziert und unterbehandelt (Melgaard et al, 2018). Obwohl die Prävalenz der Dysphagie mit 44–47.4 % bei geriatrischen Patienten relativ hoch ist (Carrion et al., 2015), werden in Europa bisher keine flä-chendeckenden Screenings eingesetzt (Melgaard, 2018).Das Delir ist bekannt als eine akute Störung der Aufmerksamkeit und der Kognition, die ebenfalls oft nicht diagnostiziert und daher vernachlässigt wird, obwohl Komplikationen und negative Langfristfolgen mit dem Alter zunehmen (Inouye SK et al. Lancet. 2014). Der Zusammenhang von Delir und Dysphagie ist ungeklärt, deren Einflussfaktoren nicht eindeutig aufgedeckt, sodaß vielfach der Ruf nach mehr Forschung laut wird (Levy et al.2012).
70% der geriatrischen Patienten im Krankenhaus zeigen Symptome einer Dysphagie (Leder et al. 2016). Die daraus resultierenden Infekte wie Bronchitiden und Aspirationspneumonien sind bereits als delirogene Noxen, die häufig ein Delir auslösen können, bekannt. Dehydration und Malnutrition, die in Folge einer Dysphagie auftreten, werden von Drach, Hewer und Thomas (2016) ebenfalls als prädis-ponierende Faktoren für die Entwicklung eines Delirs herausgearbeitet. Weitere Zusammenhänge zwi-schen oropharyngealer Dysphagie und Delir werden anhand eines Fallbeispiels aufgezeigt. Die Fallbe-zogene Auseinandersetzung soll als Pilot zur Studienplanung zu Dysphagie als Delirkomplikation bei-tragen, da eine systematische Untersuchung der Zusammenhänge bislang noch nicht erfolgt ist.

Materialien/Methoden:
Eine 80j. Patientin wurde mit reduzierter Vigilanz und Dysarthrie sowie pathologischem Nystagmus aufgrund eines leichten Schädel-Hirn-Trauma nach Sturz in die Klinik für Neurologie aufgenommen. Zusätzlich berichtet die Patientin über eine intermittierende Dysphagie. Die Dysphagie (CT und MRT: o.B.) fluktuierte, die Patientin lehnte die Medikation zumeist ab, zeitweise war eine i.v. oder s.c. Gabe möglich. Unter der Diagnose eines multifaktoriellen Delirs wurde im Verlauf - aufgrund von Eigen- und Fremdgefährdung im hyperaktiven Delir die Verlegung in die Gerontopsychiatrie nötig. Am Aufnahme-tag dort wurde bei Hypokaliämie um 2,1 eine intensivüberwachungspflichtige Substitution erforderlich. Eine nosokomiale Pneumonie sowie ein nitritpositiver Harnwegsinfekt wurden diagnostiziert und anti-biotisch behandelt. Das Delir sowie rezidivierende Halluzinationen wurden mit Haloperidol 4x 0,3 mg behandelt. Bei Aspiration und bestehender Schluckstörung wurde zunächst eine parenterale Ernäh-rung durchgeführt.

Ergebnisse:
Bei kontinuierlicher Verbesserung des Delirs und durch logopädische und aktivierende, aufmerksam-keitsfördernde pflegerische Behandlung, zeigten sich rasche Verbesserungen der Dysarthrie und Dys-phagie. Im Verlauf wurde die Patientin jedoch erneut delirant, erneut zeigte sich eine Dysarthrie und Dysphagie. Bei schwerer Hypokaliämie sowie Verweigerung von oraler Nahrungsaufnahme und rezidi-vierender Emesis wurde internistisch ein weiterer Harnwegsinfekt behandelt. Aufgrund der präsenten Dysphagie wurde nun eine Gastroskopie durchgeführt, die jedoch nur eine ausgeprägte Gastritis (Typ C bei biliärem Reflux) belegte. Unter internistisch-antibiotischer und Reflux-Therapie waren das Delir sowie die Verhaltensauffälligkeiten rasch rückläufig. Nach Abklingen des Delirs bestanden weder Dys-arthrie noch Dysphagie mehr, eine leichte kognitive Störung verblieb. Die Patientin aß selbständig, sprach verständlich und konnte nach weiterer Mobilisation ins betreute Wohnen zurückkehren.

Zusammenfassung/Schlussfolgerung:
Die Patientin zeigte im Verlauf zwei delirante Episoden, die jeweils mit einer oropharyngealen Dyspha-gie sowie Dysarthrie einhergingen. Mit rückläufigem Delir waren Dysphagie und Dysarthrie nicht mehr nachweisbar. Die hier beschriebenen Befunde stehen im Einklang mit Befunden einer Einzelfallstudie, die das gemeinsame Auftreten von Delir und Dysphagie beschreiben. Auch hier verbesserte sich die Dysphagie des Patienten deutlich zeitgleich mit dem rückläufigen Delir. Es wird ein Zusammenhang zwischen Dysphagie und Delir vermutet (Affoo et al., 2012). Weitere Forschung ist angezeigt, um die Zusammenhänge zwischen Dysphagie und Delir aufzudecken und Maßnahmen zur interdisziplinären Zusammenarbeit bei der Behandlung geriatrischer,multimorbid erkrankter Patienten zu intensivieren.

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